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Für den Leib Christi Sorge tragen

 

Liebe Freunde!

In der Fastenzeit, der Zeit der Vorbereitung auf Ostern, hören wir eine Reflexion aus dem Buch Das ganze Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt (Vgl. pp. 15-17), einem Text über die Spiritualität, die an der Quelle des Geheimnisses des Todes und der Auferstehung Jesu schöpft. Er kann ein guter Wegweiser auf unserem Weg sein, der uns zu vertieftem Nachdenken anregt.

 

Begeben wir uns im Geiste nach Bethanien, wo ein Ereignis stattgefunden hat, das für immer in Erinnerung bleiben wird.

Sechs Tage vor dem jüdischen Passahfest befinden wir uns mit Jesus in Bethanien, einem Dorf unweit von Jerusalem, im Haus seiner Freunde Lazarus, Martha und Maria, die ihn zum Abendessen einladen. Lazarus war wieder zum Leben erwacht: Jesus hatte ihn nach einer Krankheit, die zu seinem Tod geführt hatte, wieder zum Leben erweckt, nachdem er war vier Tage lang im Grab eingeschlossen gewesen war. Während des Abendessens „nahm Maria ein Pfund echtes, kostbares Nardenöl, salbte Jesus die Füße und trocknete sie mit ihren Haaren. Das Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt. Doch einer von seinen Jüngern, Judas Iskariot, der ihn später auslieferte, sagte: Warum hat man dieses Öl nicht für dreihundert Denare verkauft und den Erlös den Armen gegeben? Jesus jedoch sagte: Lass sie, damit sie es für den Tag meines Begräbnisses aufbewahrt!“

Mit dieser letzten Äußerung wendet sich Jesus der Zukunft zu. Maria von Bethanien wird keine Möglichkeit mehr haben, dem Meister ihre Zuneigung zu zeigen, und der Meister akzeptiert diese Geste im Hinblick auf den Tag seines Begräbnisses. In der Tat ging die Auferstehung jener anderen Salbung des Leibes des Herrn voraus, die die Frauen nach dem jüdischen Passah vornehmen wollten.

Die Begegnung mit der Person Jesu, auf sakramentale Weise in der Taufe und auf existentielle Weise in den Lebensentscheidungen, die wir getroffen haben (Ehe, Ordensleben, Arbeit, soziale Beziehungen), ermöglicht uns, das gleiche Werk wie Maria von Bethanien zu vollbringen. Das heißt auch wir können den „Leib Christi“ salben: ein Werk der Liebe gegenüber einer Gegebenheit, der Kirche, in der Jesus jetzt lebt. Ich beziehe mich auf die Kirche in ihrer weltweiten und lokalen Dimension, und insbesondere ihre Gläubigen, die Flüchtlinge und die Armen, die Jesus uns anvertraut hat („Die Armen habt ihr immer bei euch, mich aber habt ihr nicht immer“ [Joh 12,8]), damit wir auf die eine oder andere Weise zum Guten und zum Frieden beitragen, die heute in Zeiten eines übertriebenen Individualismus, persönlicher Forderungen, der Gleichgültigkeit und der Gewalt aller Art so notwendig sind.

Jeder Christ setzt daher das Werk der Maria von Bethanien fort, wenn ihm daran liegt, sich für die Person Jesu Sorge zu tragen, die in der Kirche lebt.  Diesen „Leib des Herrn“ kennen und für seine Glieder Sorge tragen, ist das große Privileg, das jeder Getaufte übernehmen kann.

In der Tat sind wir mehr denn je darauf angewiesen, für diesen „Leib Christi“ Sorge zu tragen, der durch unzählige Angriffe verwundet wurde, die noch schwerer und tiefer sind, wenn sie von den Seinen kommen. Verdrehte und moralisierende Argumentationen haben keinen Platz, so wie Jesus die heuchlerischen Argumente des Judas sofort und ohne zu zögern zurückgewiesen hat.

Es ist für jeden Christen von grundlegender Bedeutung zu verstehen, dass die Kirche in der Welt, wie sie von Christus gewollt und konzipiert und uns von den Aposteln hinterlassen wurde, ein echtes „Sakrament ist, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Lumen Gentum 1) ist. Wir müssen diesem Leib seine übernatürliche Fülle zurückgeben angesichts der zahlreichen Versuche, ihn einfach in eine soziologische und horizontale Perspektive ohne Zukunft einzuschließen.

Denn die Sakramentalität der Kirche berührt ihr innerstes und tiefstes Wesen, nämlich ihr von Christus eingeprägtes Bewusstsein, das sie zu einer nicht bloß menschlichen Organisation macht, sondern zu einem Geschenk Gottes für die Menschheit mit einem hohen, edlen, spirituellen und moralischen Auftrag. Gleichzeitig muss sie ein Werkzeug des Friedens und der Einheit unter den Völkern sein, ohne ideologisches, politisches oder militärisches Kalkül.

Kirche sein bedeutet also, an der Sendung der Erlösung und des Lobpreises Gottes teilzunehmen, der ihr von Jesus anvertraut wurde, und im Dienst des Menschen zu stehen, umso mehr in diesen Zeiten der Angst, des sozialen Wandels und der Ungleichgewichte, die oft die Würde, die Freiheit und den Menschen selbst verletzen.

 

Fernando Kardinal Filoni

(März 2022)