Fest Unserer Lieben Frau Königin von Palästina - Predigt von Kardinal Fernando Filoni

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Wir ehren heute mit dieser feierlichen Konzelebration im Petersdom Unsere Liebe Frau Königin von Palästina, die Schutzpatronin des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Wir versammeln uns um diesen Altar, auf dem Christus sakramental seine Gegenwart unter uns fortsetzt. Dieses Treffen findet nach einem Jahr Leben und Engagement für das Land Jesu statt: Aus diesem Grund möchten wir heute erneut um den mütterlichen Segen Mariens für den Orden und für jeden von uns bitten und unsererseits unser doppeltes Engagement erneuern, ein christliches Leben zu führen und als Männer und Frauen zu leben, denen die Mutterkirche von Jerusalem am Herzen liegt und die sie mit Gebet, Zuneigung und Großzügigkeit unterstützen wollen. Unsere Versammlung heute findet in der schwierigen Zeit der Pandemie statt, die niemanden verschont. Auch das Heilige Land ist immer noch zutiefst davon betroffen. Das Fest unserer Schutzpatronin passt sich daher den Umständen an und überträgt diesen heiligen Ritus auch auf telematischem Wege an diejenigen, die sich spirituell mit uns vereinen wollen.

Dennoch sind wir in dieser komplexen, schwierigen Zeit alle aufgerufen, die geistliche Freude nicht zu verlieren, wie der hl. Franz von Assisi Bruder Leone, den Proto-Kustos des Heiligen Landes lehrte und dabei fast die Worte des Apostels Jakobus wiederholte, der schrieb: „Nehmt es voll Freude auf, meine Brüder und Schwestern, wenn ihr in mancherlei Versuchungen geratet! Ihr wisst, dass die Prüfung eures Glaubens Geduld bewirkt. Die Geduld aber soll zu einem vollkommenen Werk führen, damit ihr vollkommen und untadelig seid und es euch an nichts fehlt (Jakobus 1,2-4). Eine Dame und ein Ritter wissen genau, dass die Vereinigung mit Gott, die Liebe zu Gott das höchste Gut ist, das angestrebt werden soll, und diese Liebe zu Gott bringt die wahre Freude und Frieden hervor.

Wenn wir jetzt Maria, die Königin Palästinas verehren, wollen wir kurz über diesen Titel nachdenken, der ihr zum ersten Mal von Patriarch Barlassina (1920) verliehen und 1933 von der Ritenkongregation endgültig gewährt wurde. Unter Liebe zum Heiligen Land meinen wir hier weder eine Verbundenheit mit den historischen und archäologischen Stätten, auch wenn sie sicherlich immer faszinierend sind, noch eine Liebe, die im Bereich philanthropischer Beziehungen anzusiedeln ist, so edel diese auch sein mögen. Vielmehr steht die Liebe zum Heiligen Land im Zusammenhang mit der Liebe, die Gott der Menschheit entgegenbringt, und die sich in einer Region, in einem bestimmten, geographisch festzumachenden Land, nämlich Palästina voll und ganz kundgetan hat. An diesem Ort wollte Gott sich offenbaren: „Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden!“ (Ex 3,5) rief der Höchste Mose zu. Dort offenbarte Gott auch Seinen Namen, er gab sich zu erkennen. Der Prophet Jesaja sollte später in einer universalen Perspektive hinzufügen, dass der Herr den Schleier, der das Gesicht aller Völker bedeckte, und das dunkle Leichentuch zerrissen hat, das über allen Nationen ausgebreitet war (vgl. Jes 25,7). Sich den Menschen bekannt machen, die „Ihn ertastend“ auf dem Weg waren (Apg 17,27), bedeutete für Gott, diese ursprüngliche Beziehung und die Kindeswürde wiederherzustellen, für die Er sie erschaffen hatte.

Gott ist keine Philosophie, das heißt kein Gedankengebäude, sei es auch hoch und erhaben. Er ist auch nicht die Frucht des Wunsches, der menschlichen Begrenztheit und der Angst vor dem Tod zu entfliehen. Gott ist gemäß dem Wort Jesu der Vater! Er ist derjenige, dessen Liebe Zeugung ist. Der Apostel Johannes schrieb in seiner theologischen Synthese, dass „Gott die Liebe ist“ (1 Joh 4,16). Diese Worte des Johannes, so kommentierte Benedikt XVI. in seiner ersten Enzyklika Deus caritas est, „sprechen in einzigartiger Klarheit die Mitte des christlichen Glaubens aus“ (Nr. 1).

Gott hat also in Palästina die Fülle seiner Liebe in Christus offenbart. Bei dieser Offenbarung bediente er sich nicht erstaunlicher Taten, sondern bescheidener Ereignisse, einfacher Menschen, die bereit waren, auf natürliche Weise mit Ihm zusammenzuarbeiten. Genauso natürlich wie es die Zusammenarbeit einer Frau war, die die Fähigkeit hat, Kinder zu gebären. Diese Frau hat einen Namen – Maria. Sie hat ein Leben, ein Land, ein Dorf, eine Erziehung, einen Glauben. Sie hat eine Herkunftsfamilie, sie denkt an einen Bräutigam. Maria arbeitet mit Joseph in einer heiligen Geschichte mit. Es gibt nicht nur ein Heiliges Land, es gibt auch eine Geschichte, die heilig wird, weil Gott in sie eingreift, still darin aufbricht. Das Leben Mariens mit Joseph war ein Leben wie viele andere, das so vielen Familien gemeinsam war. Aber es war auch einmalig wegen der Gegenwart Jesu und des Erlösungsauftrags, den der Vater Ihm anvertraut hatte.

Im Wortgottesdienst hören wir in den beiden für die heutige Feier ausgewählten Passagen einen Ausschnitt aus dem Leben Mariens, die zusammen mit Josef und dem kleinen Jesus nach Ägypten fliehen musste und dann nach Palästina zurückkehrte, um in dem Dorf Nazareth zu leben. Der Evangelist Matthäus kommentiert, dass dies geschah, um zu erfüllen, was durch die Propheten gesagt worden war: „Er wird Nazoräer genannt werden“ (Mt 2,23), ein Name, der nicht zweitrangig ist, da Pilatus dann am Kreuz Christi die Inschrift anbringen ließ: „Jesus von Nazareth, der König der Juden“ (Joh 19,19).

Die Familie Jesu kehrte also nach Palästina zurück und dort spielte sich das Leben Mariens an der Seite des Lebens ihres Sohnes ab. Palästina war das Land, durch das Maria viele Male reiste und dabei Freundschaften und Beziehungen aufbaute, die oft mit denen Jesu verbunden waren. In diesem Land begann auch eine andere Existenz, nämlich die der Kirche. Die erste Lesung heute berichtet uns von gerade von diesem Beginn in Jerusalem: Nach der Himmelfahrt des Herrn kehrten die Jünger an den gleichen Ort zurück, an dem das Letzte Abendmahl stattgefunden hatte: „in das Obergemach, wo sie nun ständig blieben“ (Apg 1,13). Unter den Elf, die dort beteten, befanden sich auch Maria, einige Frauen und Männer. Durch die Gabe des Heiligen Geistes wurde die Kirche geboren. Begreifen wir die Parallele zwischen der Menschwerdung Jesu und dem Beginn der Kirche, die beide eine Folge der göttlichen Ausgießung des Heiligen Geistes waren! In beiden Fällen hatte Maria eine vorherrschende Rolle: Bei der Geburt Jesu war ihre Funktion allerdings körperlich, bei der Geburt der Kirche war sie geistlich. Palästina hat also zwei Ereignisse erlebt, die am Anfang der Heils- und der Kirchengeschichte stehen.

Der Titel „Königin von Palästina“ hat hier also nicht den Beigeschmack einer adeligen Abstammung, sondern hat seinen Ursprung in ihrem Auftrag selbst, der sie auf Gott bezieht. Dieser Titel geht dann in einem weiteren Sinne über Palästina hinaus und erstreckt sich auf die Kirche und auf die Welt.

Zu ihr, der Patronin unseres Ordens und der ständigen Gegenwart an der Seite der Christen im Heiligen Land, die auch von anderen dort anwesenden Religionen, und von uns allen Rittern und Damen verehrt wird, steigt unser liebendes Gebet auf. An sie, die sich der Welt und der Kirche und mit der Kirche durch die Geschichte und die Kulturen hindurch in immer neuer Weise hingibt, bitten wir um das Geschenk des Friedens für die Welt und insbesondere für das Land, dessen auserwählte Tochter sie war. Wir bitten um ihren mütterlichen Schutz für die Kirche, dass sie weiterhin der „Leib Jesu“ bleibt, den sie geistlich geboren hat in Treue zu der Sendung, die ihr von ihrem Sohn anvertraut wurde. Eine Kirche, in der Jesus sich der Welt offenbart und sich ihr schenkt. Amen.


Fernando Kardinal Filoni



(21. Oktober 2020)